Interview mit Markus Katterle
Tipps von einem Profi-Feuerwerker
Er ist kein Fan von “bunten Blumensträußen” am Himmel und hält Silvester in Neukölln für eine “Nahkampfzone”: Markus Katterle ist ein alter Hase im Feuerwerksgeschäft. 1987 gründete er in Bielefeld FLASH ART1. Die Firma ist mittlerweile an zwölf Standorten vertreten und bietet weltweit Multimedia-Shows mit Pyro-, Laser- und Wassertechnik an.
Britta Zachau und Sebastian Scholtysek von www.silvester.in gewährt Markus Katterle einen Einblick in seine Schatzkammer: Hochmoderne Zündsysteme, Maschinen, die Konfetti pusten können und hunderte Meter Kabel reihen sich da in hallenhohen Regalen. Im Gespräch erzählt er, wie er zu Silvester steht, was man beim Umgang mit Feuerwerk beachten sollte und was er von Vorwürfen des “Geldverpulverns” und “Umweltverschmutzens” hält. Seine Begeisterung für die Feuerwerkskunst ist greifbar, während er spricht.
Britta Zachau und Sebastian Scholtysek von www.silvester.in gewährt Markus Katterle einen Einblick in seine Schatzkammer: Hochmoderne Zündsysteme, Maschinen, die Konfetti pusten können und hunderte Meter Kabel reihen sich da in hallenhohen Regalen. Im Gespräch erzählt er, wie er zu Silvester steht, was man beim Umgang mit Feuerwerk beachten sollte und was er von Vorwürfen des “Geldverpulverns” und “Umweltverschmutzens” hält. Seine Begeisterung für die Feuerwerkskunst ist greifbar, während er spricht.
Silvester.in: In einem Interview hast du gesagt, du seist froh, wenn du an Silvester kein Feuerwerk mehr zünden musst. Hast du nach 30 Jahren in dem Beruf genug von Feuerwerk?
Markus Katterle: Überhaupt nicht! Aber ein Silvesterfeuerwerk, bei dem man von der Party nach draußen rennt und dann lauter kleine Batterien mit Vulkanen, römischen Lichtern und Raketen ansteckt, ist schon etwas anderes als ein richtig inszeniertes Feuerwerk. Ich hab viele Jahre darauf verzichtet, aber später mit Kind habe ich zu Silvester natürlich wieder Feuerwerk gemacht, ist ja klar. Dennoch ist es immer so, dass ich lieber eine große Batterie mitbringe, bei der man zwei Minuten zugucken kann und dann Ruhe ist. Ich finde nichts schrecklicher als so etwas wie “999 Effekte für 19,99 Euro”. Denn davon sind 950 Effekte totaler Pyromüll.
Silvester.in: Frei verkäufliches Feuerwerk ist also nicht besonders qualitativ?
Markus Katterle: Nein, das stimmt nicht. Es hat sich viel getan auf dem Markt und es gibt mittlerweile sehr schöne Silvestereffekten, zum Beispiel durch sogenannte Multiple-Shot-Batterien, die auch Torten oder Cakes genannt werden. Ich persönlich mag es allerdings lieber, wenn es monochromer ist, sodass man Farben richtig erleben kann und nicht permanent alles durcheinander ist.
Silvester.in: Was macht sonst noch ein gutes Feuerwerk aus?
Markus Katterle: Es geht darum, Bilder zu gestalten. Und dabei kommt es darauf an, nicht zu viele Effekte und Farbwechsel gleichzeitig zu haben. Es gibt sicherlich auch schöne Multicolour-Bilder, aber die sollte man ganz bewusst einsetzen. Ich mag es sehr gern, wenn man mit klaren, deutlichen Wechseln arbeitet und sich an der Musik orientiert, damit man Farbwechsel auch richtig erleben kann. Wenn ich ständig rot-grün-blau-gelb am Himmel habe, ist das zu überladen und durcheinander. Ich nenne das gern etwas zynisch den bunten Blumenstrauß.
Silvester.in: Wie wichtig ist dir persönlich Silvester?
Markus Katterle: Silvester ist mit Papst Silvester und einer uralten Tradition verbunden. Es ist ein wichtiges Datum und ich mag die Sitte, dann zu feiern und Feuerwerk zu schießen. Wenn ich mir allerdings überlege, wieviel Geld für dieses Consumer-Feuerwerk ausgegeben wird… würde man von diesem Geld in jeder Stadt ein richtiges Feuerwerk zu Silvester machen, dann würden wir etwas viel Eindrucksvolleres zu sehen bekommen. In Ländern wie Frankreich und Amerika gibt es den Nationalfeiertag, wo in jeder Gemeinde und in jeder Stadt Feuerwerke geschossen werden. So eine Sitte haben wir in Deutschland gar nicht, sondern nur einzelne Veranstaltungen mit Feuerwerken, wie die vielen Rummelplätze. Ich finde es schade, dass auf dem deutschen Markt im Vergleich zu anderen Ländern kaum Platz für große Feuerwerkskunst ist.
Silvester.in: Also ist es in Deutschland eher eine Ausnahme, dass Städte an Silvester ein Feuerwerk organisieren?
Markus Katterle: Städte organisieren eigentlich überhaupt keine Feuerwerke mehr, weil sie das meist nicht refinanziert bekommen. Wenn, dann organisieren das private Firmen, manchmal auch die Veranstaltungsabteilung einer Stadtverwaltung, aber das sind nicht sehr viele. Diese Form von öffentlichen Inszenierungen zu entsprechenden Anlässen die gibt es bei uns selten. Ausnahmen sind beispielsweise das Hamburger Hafenfest und die Kieler Woche.
Silvester.in: Hängt das vielleicht damit zusammen, dass in Deutschland das private Zünden von Feuerwerk erlaubt ist? Gibt es in anderen Ländern vielleicht mehr öffentliche Feuerwerke, weil das Böllern auf der Straße verboten ist?
Markus Katterle: Das ist richtig. Allerdings sind die privaten, kleinen Feuerwerke in vielen europäischen Ländern sogar noch freizügiger genehmigt als in Deutschland. Und trotzdem finden mehr öffentliche Feuerwerke statt! Das hat natürlich etwas mit der Mentalität zu tun. Ein Touristenort an der Nordsee wird niemals soviel für Feuerwerk investieren, wie es ein Touristenort in Italien oder Spanien tun würde.
Silvester.in: Was macht diese Mentalität aus?
Markus Katterle: Das hat sehr viel mit der Geschichte und der Religion zu tun. Der Katholizismus hat Feiern immer erlaubt und immer Wege gefunden, Feste zu begehen. Doch in Deutschland ist diese protestantisch-pietistische Einstellung, dass Feiern Verschwendung und schlecht ist, schnell spürbar. Viele ärgern sich darüber, dass man “Geld verpulvert” und die Umwelt verschmutzt. Und sobald die kleinste Krise kommt, darf man überhaupt nichts mehr ausgeben. Sowas würde in Italien oder Spanien nicht passieren. Da wird gefeiert und gut gegessen und die Krise kann bis morgen warten. Das ist einfach eine ganz andere Einstellung, die sicherlich auch mit der Geschichte des jeweiligen Landes und mit der Art, mit Krisen umzugehen, zu tun hat.
Silvester.in: Und trotzdem steigt der Umsatz der pyrotechnischen Industrie, auch in Deutschland. Wie siehst du die Zukunft auf diesem Markt?
Markus Katterle: Der Umsatz der pyrotechnischen Industrie steigt im Consumer-Bereich seit sechs, sieben Jahren kontinuierlich an. Und das hat viel damit zu tun, dass die Genehmigungen geändert wurden. Seit einiger Zeit dürfen Privatpersonen Batteriefeuerwerk einsetzen. Plötzlich gab es viel mehr Möglichkeiten, schöne Effekte zu erzielen und eindrucksvollere Bilder zu erzeugen. Damit wurde der Aufwand geringer und das Interesse ist gewachsen. Während der Umsatz im Consumer-Bereich steigt, sehe ich die gleiche Entwicklung allerdings nicht im professionellen Bereich. Der Markt ist da, aber er verteilt sich auf immer mehr Anbieter.
Silvester.in: Und wie steht es mit der Sicherheit bei freiverkäuflichem Feuerwerk?
Markus Katterle: Wenn man diese Dinge so benutzt, wie sie benutzt werden sollen, und seinen gesunden Menschenverstand einschaltet, dann sind sie sicher. Wenn man es allerdings witzig findet, mit Raketen in offene Schlafzimmerfenster zu schießen oder eine Multiple-Shot-Batterie in einen Kiosk zu tragen, sie anzustecken und lachend wieder heraus zu rennen, dann sind sie nicht sicher. Und leider passiert sowas, gerade in Großstädten und in Brennpunktvierteln. Silvester in Neukölln ist kein Spaß mehr, das ist eine Nahkampfzone. Diese zentralen Probleme betreffen aber nicht nur das Feuerwerk, sondern auch viele andere Bereiche. Man sollte mit Feuerwerk genauso wenig alkoholisiert umgehen, wie man mit Alkohol im Blut über die Autobahn fahren sollte. Das sind alles Dinge, mit denen man sich schwer verletzen und großen Schaden anrichten kann, wenn man nicht den nötigen Respekt davor hat. Deshalb passieren all diese Unfälle. So wie das zugelassene Feuerwerksmaterial konstruiert ist, ist die Handhabung absolut sicher und es gibt es gibt gar keinen Grund, sich darüber Gedanken zu machen. Aber wenn ich meine, ich könnte in einer engen Straßenschlicht eine gefächerte Batterie zünden…- naja!
Silvester.in: Viele Menschen sind sich unsicher darüber, wie man mit Feuerwerk korrekt umgeht. Einer Umfrage zufolge2 interessieren sich viele Menschen für Informationen über Feuerwerkskörper. Wo können sich diese Menschen informieren?
Markus Katterle: Der VPI3, der Verband der pyrotechnischen Industrie, gibt jedes Jahr Informationen heraus, die im Internet abrufbar sind. Auch das Bundesamt für Materialprüfung veröffentlicht jedes Jahr entsprechende Erklärungen. Es macht natürlich einen großen Unterschied, ob man sich bei einem Fachbetrieb mit Silvesterfeuerwerk eindeckt oder zum Supermarkt nebenan geht, wo einen niemand beraten kann. Wenn wir Silvesterfeuerwerk verkaufen, kann uns jeder Kunde fragen, was welche Effekte erzeugt und worauf man achten muss. Ein solcher Service stirbt im Zuge von Internetshops und Supermarktketten immer mehr aus. Das ist nicht nur auf dem pyrotechnischen Markt ein Problem.
Silvester.in: Wenn ich also Silvesterfeuerwerk haben möchte, kann ich zu FLASH ART kommen?
Markus Katterle: Ja, hier kann man Silvesterfeuerwerk kaufen und sich umfassend beraten lassen.
Silvester.in: Ist dein Silvesterfeuerwerk Massenproduktion oder besteht auch die Möglichkeit, sich ein individuelles Feuerwerk zusammenstellen zu lassen?
Markus Katterle: Natürlich vertreiben wir massengefertigte Artikel, anders wäre das gar nicht möglich. Der Feuerwerksmarkt wird aus China beliefert, doch wenn ich an eine Rakete aus China in Deutschland noch einen Holzstab klebe, dann gilt die als in Deutschland gefertigt - ganz legal, das entspricht den Vorschriften. Wir suchen allerdings in diesem unglaublichen Angebot von Material Sachen aus, die wir sowieso für unsere großen Feuerwerke verwenden und die wir schön finden. Und wir versuchen das natürlich so weit wir möglich zu reduzieren: Hätte ich hier tausend verschiedene Artikel, dann könnte ich ja gar nicht mehr kalkulieren. Wenn also jemand zu uns kommt und sagt: Wir sind mit fünfzehn Kumpels auf einem Parkplatz und wollen es groß und laut, dann können wir demjenigen etwas zusammenstellen. Und wenn ein anderer gemütlich in seinem kleinen Garten sitzen will und fünf Minuten Feuerwerk möchte, das nicht allzu viel Lärm macht, dann ist auch das möglich. Wir verkaufen das ganze Jahr über Silvesterfeuerwerk und bieten bestimmte Zusammenstellungen und Pakete für gewisse Anlässe, sei es der fünfzigste Geburtstag oder die goldene Hochzeit, an. Dann muss man allerdings zunächst klären, ob das an dem betreffenden Ort möglich ist, da jede Kommune das unterschiedlich handhabt. In jedem Fall braucht man eine sogenannte Ausnahmegenehmigung zum Erwerb und zur Verwendung von Feuerwerk der Klasse 2, die man beim Ordnungsamt für 20 Euro bekommt. Auf dem Land ist das meist unproblematisch, aber größere Städte verweigern schon mal diese Ausnahme. Bei solchen Genehmigungen helfen wir auch. Wenn die allerdings nicht vorliegt, dürfen wir nichts verkaufen.
Silvester.in: Was bedeutet Feuerwerk der Klasse 2?
Markus Katterle: Feuerwerk wird in Kategorien eingeteilt. Da gibt es zum Einen das Großfeuerwerk, mit dem wir bei FLASH ART arbeiten. Dazu braucht man einen entsprechenden Schein, sozusagen einen Führerschein für Feuerwerk. Das Silvesterfeuerwerk, das unter die Klasse 2 fällt (mittlerweile heißt das KAT 2), darf jeder benutzen, der volljährig ist. Allerdings gibt es da eine ordnungsrechtliche Einschränkung, die nichts mehr mit dem Sprengstoffgesetz zu tun hat. Die besagt, dass dieses Feuerwerk nur in den drei Tagen vor Silvester und an Silvester verkauft und verwendet werden darf. Aber diese ordnungsrechtlichen Vorschriften sind so verfasst, dass Kommunen und Gemeinden Ausnahmen aussprechen können. Wenn man ein großes Familienfest hat oder einen Landgasthof betreibt und dafür ein Feuerwerk haben möchte, aber nicht so viel Geld hat, um einen Profi kommen lassen zu können, dann kann man das mit dieser Genehmigung selbst machen.
Silvester.in: Wie früh im Jahr beginnt bei dir der Ansturm auf das Silvesterfeuerwerk?
Markus Katterle: Wir haben Kunden, die im Oktober oder November vorbuchen - das ist schön, denn das macht uns die Logistik leichter. Etwa vier bis sechs Wochen vor Silvester schicken wir eine E-Mail an unsere Stammkunden und fragen nach, ob sie etwas bestellen möchten. Dann kann das vorbestellte Feuerwerk schon zusammengestellt und abgeholt werden. Das ist dann viel stressfreier als bei Laufkundschaft.
Silvester.in: Viele Menschen schauen sich an Silvester lieber ein organisiertes Feuerwerk an, als selbst zu böllern. Kannst du eins empfehlen?
Markus Katterle: Ja. Das in Monaco! Das machen nämlich wir (lacht)! In Deutschland gibt es immer eins am Brandenburger Tor, das haben wir auch schon ein paar Mal geschossen. Doch das ist nichts, was ich ein schönes Feuerwerk nennen würde. Wenn man in Deutschland tolle Feuerwerke sehen will, sollte man zur Pyronale4 gehen, die mit sechs Teilnehmern das größte Feuerwerksfestival in Deutschland ist. Es findet jährlich am ersten Septemberwochenende in Berlin statt. Da bin auch ich noch oft schwer beeindruckt, was die Kollegen da leisten. Die Location ist toll und das macht wirklich Spaß.
Silvester.in: Danke für den Tipp! Monaco, Berlin,... - Du verbringst Silvester also beruflich und bist viel unterwegs?
Markus Katterle: Ja, wir machen Shows an Silvester. Hauptsächlich international, manchmal in Dubai, manchmal auf Kreuzfahrtschiffen. Jedes zweite Jahr darf ich aber auch mal zu Hause bleiben und muss mich nicht um Inszenierungen kümmern.
Silvester.in: Wieviele Anfragen bekommt ihr im Durchschnitt für die Silvesternacht?
Markus Katterle: Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt Jahre, da gibt es sehr viele Anfragen, aber es gibt auch Jahre, da sind es weniger. Es ist auf jeden Fall nicht so, dass Silvester in Deutschland eine Hochzeit für professionelle Feuerwerke ist. Für die 250 bis 300 Feuerwerksbetriebe in Deutschland ist Silvester nicht der wichtigste Anlass.
Silvester.in: Unterscheidet sich eure Silvestershow von Inszenierungen zu anderen Anlässen? Was ist das Besondere an eurer Silvestershow?
Markus Katterle: An Silvester macht man meistens einen Countdown, auch pyrotechnisch. Dann muss man natürlich darauf achten, dass man sich an einer Funkuhr orientiert und sauber auf Null Uhr anfängt. Ich bin der Meinung, dass bei uns in Deutschland ein 20-minütiges Feuerwerk unnötig ist, da jeder friert und schnell wieder ins Haus möchte. Dann lieber kurz und heftig mit tollen Bildern! Ich bin ein Freund davon, Dinge zu bündeln und richtig zu machen statt Dinge zu strecken und nicht ordentlich zu machen.
Silvester.in: Du bist eben bereits ein wenig auf die Kritik an Silvesterfeuerwerk eingegangen. Welcher Kritik begegnet ihr am häufigsten?
Markus Katterle: Wir begegnen oft der Kritik, dass dies ja eine große Umweltschweinerei wäre. Ich sage dann immer: Jeder Theaterabend ist eine Schweinerei, wenn man vor diesem Hintergrund argumentiert. Nur da sieht niemand, was für Dreck gemacht wird, um das Theater zu beheizen, um die diversen Kulissen herzustellen, um die ganzen Farben, Lacke und Kleber zu produzieren und bereitzustellen. Dazu kommt noch die ganze Energie, die aufgewendet wird, um das ganze Ensemble hundert Mal hin- und herzufahren. Das sind tausende von Faktoren, die zu solch einer Umweltbilanz beitragen. Aber man schreit immer am lautesten bei dem, was simpel und am offensichtlichsten ist.
Silvester.in: Also ist Feuerwerk im Vergleich zu anderen Veranstaltungen nicht so umweltschädlich, wie es aussieht?
Markus Katterle: Feuerwerk hat sich sehr entwickelt. Ich bin seit 1984 Pyrotechniker und in der Zeit hat sich sehr viel getan. Es wird heute für die Hüllen kein Kunststoff mehr verwendet, sondern nur noch Materialien, die verrotten. Der Müll, der durch Silvesterfeuerwerke entsteht, sieht zwar saumäßig aus, ist aber in den meisten Fällen Ton und Pappe. Man hat diese Papierreste untersucht und festgestellt, dass diese komplett im Altpapier entsorgt werden können. Außerdem hat die Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung (BAM)5 umfangreiche Untersuchungen im Rahmen der Pyronale gemacht, bei der wir sie gerne unterstützt haben. Das Ergebnis war, dass bei sehr großen Feuerwerken sowohl die Lärm- als auch die Feinstoffbelastung unmittelbar bei den Betrachtern des Feuerwerks unter der Belastung liegt, der man an einem normalen Arbeitsplatz ausgesetzt ist. Dieses Ergebnis erhielten wir auch an Tagen, wo wir Tiefdruck hatten und der ganze Rauch stehenblieb. Es gibt eine sehr schöne Zahl, die das ein wenig deutlicher macht: Die Stickstoffbelastung durch Feuerwerk in der Bundesrepublik liegt bei 0,0004%. Dabei ist alles zusammengefasst, was sich während eines Jahres an Silvester- und Profifeuerwerk anhäuft. Und über solche Dinge reden wir! Und dann haben wir diese Auseinandersetzung um Brot statt Böller. Okay, das kann ich akzeptieren. Es redet aber niemand von Brot statt Champagner oder Brot statt Kaviar oder Brot statt Party oder Brot statt Fußball oder sonst etwas. Daraus spricht ein platter und undifferenzierter Umgang mit dem Thema. Besonders, wenn man sieht, wie viel Freude Feuerwerk macht und wie viel Menschen sich auf die Beine machen, wenn sie ein Feuerwerk sehen dürfen. Warum stehen da zehn-, zwanzig-, fünfzigtausend Menschen und gucken sich ein Feuerwerk an? Weil es etwas Tolles ist! Und wenn es gut inszeniert ist, dann ist es eine Form von Kunst, die wir leider in vielerlei Hinsicht verlernt haben, wenn man sich überlegt, was es im Barock an hoher Kultur gab.
Silvester.in: Du willst also sagen, Feuerwerk werde nicht genug gewürdigt?
Markus Katterle: Bei uns heißt es 'Feuerwerk'. In Frankreich heißt es 'feu d'artifice'. Diese Begrifflichkeit zeigt schon, welch unterschiedliche Wertschätzung dieser Kunstform entgegen gebracht wird. Sie wird leider von vielen nicht als Kunstform betrachtet, sondern als ein Handwerk, das man ordentlich ausführen muss. Wie es inszeniert oder choreographiert ist, interessiert niemanden. Es wird immer noch nur ein kleiner Teil der Feuerwerke musiksynchron geschossen. Es sind viele Punkte, bei denen ich denke, dass die Feuerwerkskunst eigentlich einen anderen Stellenwert verdient hätte. Ein guter Feuerwerksdesigner oder -gestalter muss ja nicht nur sein Feuerwerk verstehen, sondern auch Choreografie, Musik, Technik und vieles mehr. Gleichzeitig muss er als Maler am Himmel agieren. Die Komplexität dieser Kunst wird vor allem bei Feuerwerkswettbewerben offensichtlich. Da wird sicherlich keiner mehr sagen, dies sei keine Kunstform. Dies hat aber natürlich nichts mehr mit so einem Rummelplatzfeuerwerk oder mit einer Silvesterböllerei zu tun. Das sind ganz unterschiedliche Bereiche. Dass man das über einen Kamm schert, finde ich problematisch, genauso wie die Tatsache, dass man nicht akzeptiert, dass Menschen eben an bestimmten Dingen große Freude haben. Ich lasse die Nanas von Niki de Saint Phalle in Hannover auch nicht alle als Sondermüll entsorgen, weil sie aus Glasfasern verstärktem Kunststoffen sind. Es ist einfach die Frage, wie man an solche Sachen herangeht. Und da bin ich wieder an dem Punkt dieses klassischen, pietistischen, engstirnigen Umgehens mit dem Thema Lebensfreude in Deutschland. Und da passt Brot statt Böller hundertprozentig rein.
Silvester.in: Man sollte also wirklich das wahllose Herumböllern an Silvester und das kunstvoll gestaltete Feuerwerk voneinander trennen?
Markus Katterle: Ja, das sollte man sicherlich. Andererseits ist gerade das Silvesterfeuerwerk ein Ausdruck von Lebensfreude. Die Menschen tun das, weil sie das genießen, “Ohh” sagen, in den Himmel gucken und sich gegenseitig in den Arm nehmen. Dazu stoßen sie an und freuen sich auf das neue Jahr. In solch einer Situation Brot statt Böller zu proklamieren, finde ich blöd. Ich bin eher für: Brot und Böller. Die Frage ist immer, warum man das so negieren muss, nach dem Motto: "Wenn du dich freust und Spaß hast, bist du ein schlechter Mensch! Du verschmutzt die Umwelt und andere Menschen müssen verhungern. Also, hör auf, dich zu freuen, gehe in Sack und Asche, fühle dich traurig und gib all dein Geld für Brot für die Welt!" Nichts gegen Spenden und nichts gegen Unterstützen! Aber der Inhalt, der da drinsteckt, ist völlig daneben. Und zwar nicht nur wegen des Feuerwerks, sondern wegen der grundsätzlichen Lebenseinstellung.
Silvester.in: Es muss also gar kein Entweder-Oder sein. Man kann sich an Silvester freuen, das mit Feuerwerk zum Ausdruck bringen und dann außerdem diese Freude teilen, indem man spendet und anderen Menschen hilft! Welches Silvester ist dir besonders in Erinnerung geblieben und warum?
Markus Katterle: Das ist das Jahr 2000, das berühmte Millenium-Jahr. Da brauchten wir acht bis zehn LKW mit Feuerwerk-Equipment. Und jeder, der laufen konnte, wurde gebucht, um bei den Veranstaltungen zu helfen. Es waren insgesamt sieben oder acht, wir waren überall, sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Das ist mir sehr in Erinnerung geblieben. Da waren wir völlig ausgelastet. Diese Hype damals ist vergleichbar mit dem in Amerika anlässlich des Nationalfeiertags am 4. Juli. Ein Kollege von mir macht an diesem Tag 60% seines Jahresumsatzes, weil er 360 Feuerwerke macht. Ein weiteres besonderes Silvester war vor zwei Jahren, da war ich mit meiner Familie in Dubai. Da haben wir sowohl am 31. Dezember, als auch sechs Tage später beim Dubai-Shopping-Festival Feuerwerke gezündet. Das waren aber nicht die einzigen Feuerwerke in Dubai zu der Zeit. Was da an Geld investiert wird, wird in Deutschland vielleicht insgesamt in zwei Jahren für Feuerwerk ausgegeben. Das war ein ganz besonderes Erlebnis.
Silvester.in: Nun brauche ich eine Zahl als Antwort. Wie viele Tage vorher planst du, was du an Silvester machst?
Markus Katterle: Manchmal drei Tage vorher, manchmal zwei Tage vorher und manchmal auch eine Woche vorher. Das hängt sehr davon ab, was so passiert, denn unser Geschäft ist sehr kurzfristig. Und selbst, wenn ich nicht eingeplant bin und ein Mitarbeiter krank wird, dann muss ich auch noch zwei oder drei Tage vor Silvester in den Flieger steigen und helfen. Planungen sind für mich, nicht nur an Silvester, immer nur sehr spontan möglich. Ich kann jetzt nicht sagen, wohin ich nächsten Sommer fahre, weil ich nicht weiß, wie unsere Auftragslage da aussehen wird. Das ist im gesamten Veranstaltungsgeschäft üblich. Wir sind zum Teil für große Events oft erst zwei, drei Wochen vorher beauftragt worden. Das Finale der deutschen Fußballweltmeisterschaft zum Beispiel haben wir zehn Tage vorher beauftragt bekommen. Für so etwas hat man üblicherweise nur eine extrem kurze Planungssicherheit. Bei uns besteht allerdings die Besonderheit, dass wir unter allen Umständen pünktlich "liefern" müssen. Im Baugeschäft ist man glücklich, wenn ein Haus eine Woche später als geplant fertiggestellt wird. Da freut sich jeder, dass es pünktlich fertiggestellt wurde. Wenn wir aber bei einem Großevent eine Stunde zu spät sind, dann haben wir schon verloren. Es gibt keine zweite Chance. Und das bedeutet auch, dass es ganz egal ist, ob der LKW eine Panne hat, ob die Flieger streiken, ob die Zöllner Ärger machen, ob es vorher drei Tage lang stürmt und regnet… Was auch immer passiert, wir müssen das auf diesen Punkt hinkriegen, auf die Minute genau. Das ist eine ziemliche Herausforderung und bedeutet manchmal auch eine Menge Stress.
Silvester.in: Das muss sehr nervenaufreibend sein, da alles auf einen Moment ausgelegt ist und in diesem Moment alles klappen muss. Und es ist ja auch vergänglich.
Markus Katterle: Es ist absolut vergänglich. Das finde ich das Schöne an Feuerwerk. Feuerwerk ist nichts, was man sich in den Tresor schließen kann. Und selbst Videos und Fotos geben niemals das Erlebnis wieder, was man hat, wenn man live dabei ist. Man macht etwas für einen Moment und dieser Moment ist dazu da, dass Menschen etwas erleben. Und wenn man das erreicht, wenn Menschen begeistert sind und Tränen in den Augen haben, dann hat man einen tollen Job gemacht. Das nehmen die Menschen im Herzen mit. Wir sind unglaublich stark darin, Erinnerungswerte zu schaffen. Wenn wir große Events und Shows für Firmen oder bestimmte Veranstaltungen machen, dann kann man zum Teil zwanzig oder dreißig Jahre danach mit Menschen sprechen, die sich an das Feuerwerk erinnern. Die wissen nicht mehr, was sie zu Essen hatten und wer da gesungen hat, aber an das Feuerwerk erinnern sie sich. Dies verdeutlicht nochmal, wie emotional stark dieses Medium ist und was das für Glücksgefühle und schöne Moment bescheren kann.
Silvester.in: Wie viele Vorsätze hast du im Durchschnitt zu Silvester?
Markus Katterle: Früher hatte ich mehr Vorsätze, heute bin ich Realist! Es gibt Dinge, bei denen man immer mit sich kämpft. Das hat viel damit zu tun, wie sehr man sich wertschätzen kann und wie viel Zeit man sich für bestimmte Dinge wie Familie nehmen kann. Diese Vorsätze hat man aber nicht nur an Silvester, sondern diesen Kampf hat man immer. Da finde ich es albern, sich Silvester nach dem dritten Glas Sekt vorzunehmen, nie wieder Alkohol zu trinken.
Silvester.in: Vielen Dank für das Gespräch!
Autoren: Britta Zachau & Sebastian Scholtysek Das Interview mit Markus Katterle führten Britta Zachau und Sebastian Scholtysek. Wenn du Fragen zum Interview hast, erreichst du die beiden einfach per E-Mail unter [email protected] und [email protected].
Quellen und Verweise
1 FLASH ART - Die Flash Art GmbH in Bielefeld 2 Statista-Umfrage: - Bevölkerung in Deutschland nach Interesse an Informationen über Feuerwerkskörper von 2012 bis 2013 3 VPI - Verband der pyrotechnischen Industrie 4 Pyronale - Das Feuerwerk-World-Championat 5 BAM - Bundesamt für Materialprüfung