Interview mit Michael Draxler

Kein Silvesterpfad ist wie der im Vorjahr!

Während sich die Großveranstaltungen zu Silvester in anderen europäischen Metropolen häufig auf einen zentralen Platz konzentrieren, leitet Wien die Feierwütigen schon seit 25 Jahren entlang eines Partypfades durch die Innenstadt. Auf mehr als zehn Bühnen gibt es Musik aller Stilrichtungen.

Warum ein Pfad? Wie wird dort die Sicherheit gewährleistet? Wie wichtig ist die Veranstaltung für die Stadt? Michael Draxler, Geschäftsführer der stadt wien marketing GmbH, beantwortet im Gespräch mit Britta Zachau von silvester.in die wichtigsten Fragen zum Wiener Silvesterpfad.

Warum ein Pfad? Wie wird dort die Sicherheit gewährleistet? Wie wichtig ist die Veranstaltung für die Stadt? Michael Draxler, Geschäftsführer der stadt wien marketing GmbH, beantwortet im Gespräch mit Britta Zachau von silvester.in die wichtigsten Fragen zum Wiener Silvesterpfad.

Warum ein Pfad? Wie wird dort die Sicherheit gewährleistet? Wie wichtig ist die Veranstaltung für die Stadt? Michael Draxler, Geschäftsführer der stadt wien marketing GmbH, beantwortet im Gespräch mit Britta Zachau von silvester.in die wichtigsten Fragen zum Wiener Silvesterpfad.

  • © Foto: Christian JOBST

    Silvester.in: Wie und wann entstand die Idee zum Silvesterpfad?

    Michael Draxler: Der Silvesterpfad stammt ursprünglich aus den frühen 90er Jahren. Er war eine Idee des damaligen Wiener Bürgermeisters Dr. Zilk, der normalerweise den Jahreswechsel nicht in Wien verbracht hat. Als er Ende der 80er Jahre einmal in Wien feiern wollte, hatte sogar er das Problem, in Wien ein offenes Lokal zu finden. Die meisten Innenstadtlokale hatten mit Radau zu kämpfen, da waren viele Scherben und Raketen. Das war gefährlich. Deshalb hat Dr. Zilk unmittelbar im neuen Jahr einen Arbeitskreis ins Leben gerufen. Dort waren unter anderem Vertreter der Wirtschaft, der Behörden und wichtige Key-Player der Stadt, die gemeinsam ein Konzept erarbeitet haben und der Stadt Wien präsentiert haben. Und so ist der Silvesterpfad entstanden. Der zweite Aspekt war der Sicherheitsgedanke. In Wien ist es eine jahrzehntealte, wenn nicht jahrhundertealte Tradition, dass man um Mitternacht zum Stephansplatz geht, dort mit Sekt feiert und Raketen abschießt. Das Ganze hat solche Ausmaße angenommen, dass es ein sehr gefährliches Gedränge gab, dazu die Raketen und Scherben - das war wirklich nicht schön. Der Arbeitskreis hatte die Aufgabe, dieses Problem Stephansplatz ein bisschen zu entschärfen. Allerdings wussten wir, dass wir nicht gegen eine jahrhundertealte Tradition ankämpfen können. Es bringt nichts, wenn wir eine tolle Veranstaltung irgendwo am anderen Ende der Stadt machen. Die Leute werden um Mitternacht trotzdem zum Stephansplatz kommen. Deshalb ist die Grundidee entstanden, viele verschiedene Plätze rund um den Stephansplatz zu bespielen - in unmittelbarer Nähe, in der Hoffnung, dass die Leute, die in die Stadt hinein kommen, nicht nur zu diesem einen Platz gehen, sondern dass viele Plätze rundherum ein attraktiveres Programm anbieten als der Stephansplatz.

  • Silvester.in: Da Sie schon die Sicherheit ansprechen: Es ist ja nicht so einfach, die Sicherheit zu gewährleisten, wenn es ein Pfad und kein abgeschlossenes Gelände ist. Was für ein Konzept haben Sie?

    Michael Draxler: Wir haben hier mehrere Überlegungen angestellt. Das Konzept ist gemeinsam mit der Polizei erarbeitet. Wir haben ein Wegeleitsystem, das heißt: Wenn bestimmte Plätze zu voll werden sollten oder wenn sich Engstellen ergeben, haben wir durch unsere Überwachungskameras einen sehr guten Überblick - oft einen besseren als der Security-Mitarbeiter oder der Polizist vor Ort. Wir sehen, von wo die Leute rein kommen und wissen dann, wo wir entsprechende Straßenzüge sperren beziehungsweise umleiten können. Es geht nicht darum, ganze Plätze oder Viertel abzusperren, sondern teilweise nur, die Ströme anders zu lenken. Das läuft gemeinsam mit den Wiener Linien. Wenn wir sehen, dass an einer U-Bahn Station viele tausend Leute stehen, fährt die U-Bahn schon mal eine Station weiter, damit die Leute von einer ganz anderen Seite in die Stadt hineindringen können. Die U-Bahn-Station Stephansplatz zum Beispiel ist an dem Tag gesperrt, sodass die Leute nicht direkt vom Stephansplatz auf das Veranstaltungsgelände kommen können. Wir nutzen diese Station als mobile Sanitätsstation für den Fall der Fälle.

  • © Foto: Christian JOBST

    Silvester.in: Und wie ist das mit Feuerwerk auf dem Gelände, ist das erlaubt?

    Michael Draxler: Nein, das ist nicht erlaubt. Wir richten uns hier nach dem Pyrotechnikgesetz, welches sich wiederum an die Vorgaben der EU hält. Wir haben für jene Flächen, die unmittelbar zur Veranstaltung gehören, eine Platz- oder Hausordnung erlassen, sodass die Security und nicht nur die Polizei dort das Recht hat, Taschenkontrollen durchzuführen oder gefährliche Gegenstände und pyrotechnische Sachen zu konfiszieren.

  • Silvester.in: Wie groß ist das Veranstaltungsgelände insgesamt?

    Michael Draxler: In Quadratmetern haben wir es nicht ausgerechnet. Für den Besucher ist das Veranstaltungsgelände die gesamte Wiener Innenstadt. Juristisch gesehen gehört alles zum Veranstaltungsgelände, wo wir Aufbauten haben.

  • © Foto: Christian JOBST

    Silvester.in: Sie haben gesagt, die Veranstaltung läuft schon seit den 90er Jahren. Wie hat sich sie sich über die Jahre entwickelt?

    Michael Draxler: Sie ist größer geworden. Wir haben Anfang der 90er Jahre mit vier Bühnen auf vier Plätzen begonnen und sind jetzt bei zehn bis zwölf Locations, die wir über zwölf Stunden lang bespielen. An der grundsätzlichen Ausrichtung hat sich nicht viel geändert. Wir haben ein Familienprogramm am Nachmittag und gehen dann am Abend in Richtung Partystimmung. Wir versuchen, einen möglichst breiten Musikmix anzubieten. Allerdings haben wir immer thematische Schwerpunkte. Als zum Beispiel der Euro eingeführt wurde, war das etwas Besonderes, weil man das erste Mal mit der neuen Währung bezahlen konnte. Auch als Wien 2006 das Mozartjahr gefeiert hat, gab es einen Schwerpunkt. Dazu ein kleiner Exkurs: Auf allen Plätzen, egal, ob dort Rock, Pop, Funk, House, Schlager oder sonst etwas gespielt wird, wird um Mitternacht die Pummerin, die Glocke des Stephansdoms, eingespielt. Und danach gibt es den Donauwalzer. Das ist so Tradition bei uns. im Mozartjahr wurde dann zusätzlich die kleine Nachtmusik gespielt. Nächstes Jahr feiern wir 150 Jahre Wiener Ringstraße. Da wir mit demselben Budget auskommen müssen, geben wir einen Platz im kommenden Silvesterpfad auf und bespielen dafür einen Teil der Ringstraße. Kein Silvesterpfad ist wie der im Vorjahr.

  • © Foto: Christian JOBST

    Silvester.in: Sie greifen also aktuelle Ereignisse auf. Dieses Jahr ist ja das 25-jährige Jubiläum. Was ist da Besonderes geplant?

    Michael Draxler: Wir streichen weniger das 25-Jahre-Jubiläum hervor als unsere 150 Jahre Wiener Ringstraße. Und bespielen einen komplett neuen Teil der Innenstadt, den es bis jetzt im Programm nicht gegeben hat. Es kommt also etwas Schönes dazu.

  • © Foto: Christian JOBST

    Silvester.in: Wann kann man als Besucher Details des Programms einsehen?

    Michael Draxler: Welche Bühne mit welcher musikalischen Richtung bespielt wird, verraten wir im September. Das konkrete Programm werden wir dann Anfang November auf der Homepage haben.

  • © Foto: Christian JOBST

    Silvester.in: Für wen ist die Veranstaltung geeignet?

    Michael Draxler: Für alle! Wir beginnen ja bereits um 11 Uhr mit der Gastronomie und um 14 Uhr mit dem Musikprogramm. Und wir haben interessanterweise einen fast kompletten Schichtwechsel vom Nachmittag zum Abend. Manchmal haben wir - besonders wenn wir, wie schon mal vorgekommen, blauen Himmel, Sonnenschein und acht Grad Plus haben - um 15 Uhr mehr Gäste als um 22 Uhr. Am Nachmittag kommen sehr viele Großmütter mit den Enkeln, denen es dann am Abend zu laut wird. Da der 31.12 ein halber Arbeitstag ist, kommen zum Silvesterpfad auch viele Leute, die noch geschwind mit Kollegen das Jahr ausklingen lassen wollen. Des Weiteren kommen viele, die am Abend zu Konzerten oder auf private Feiern gehen, vorher zu uns zum Silvesterpfad. Das ist ein sehr angenehmes Publikum. Dann, am Abend, schlägt das um zu einem richtigen Partypublikum, das die Musik ein bisschen lauter haben will. Auch der Alkohol kommt dann dazu.

  • Silvester.in: Wie viele Menschen nehmen insgesamt an der Veranstaltung teil?

    Michael Draxler: Verteilt über diese zwölf Stunden kommen wir auf eine Anzahl zwischen 500.000 und 700.000. Es ist durchaus groß.

  • Silvester.in: Gab es irgendwann gravierende Vorkommnisse oder Unfälle?

    Michael Draxler: Als gravierend würde ich es nicht bezeichnen. Wir haben natürlich jedes Jahr einen Sanitätsdienst mit dabei, der sich im Schnitt um 40 bis 70 Fälle kümmern muss. Wobei “Sanitätsfall” sich jetzt viel dramatischer anhört, als es ist: Wenn jemandem schlecht ist, weil er zu viel getrunken hat, ist das auch ein Sanitätsfall. Also, etwas Grobes ist noch nie passiert. Da gibt es Jacken, die ein Brandloch von einem Feuerwerkskörper haben, aber viel Schlimmeres passiert in der Regel nicht.

  • Silvester.in: Der Silvesterpfad ist ja eine kostenlose Veranstaltung. Wird das auch so bleiben?

    Michael Draxler: Ja, wir haben nicht vor, die Innenstadt abzusperren und Eintritt zu verlangen.

  • Silvester.in: Und wie finanzieren Sie die Veranstaltung?

    Michael Draxler: Wir werden von Seiten der Stadt Wien finanziert. Darüber hinaus ist es ein Mix aus Sponsorengeldern, Gastronomie und Partnerkooperationen.

  • Silvester.in: Ist die Finanzierung für die nächsten Jahre gesichert?

    Michael Draxler: Zumindest für die nächsten Jahre, ja.

  • Silvester.in: Wie wichtig ist der Silvesterpfad für die stadt wien marketing gmbh im Vergleich zu den anderen Veranstaltungen?

    Michael Draxler: Der Silvesterpfad ist extrem wichtig für den Wien-Tourismus. Bevor der Silvesterpfad gekommen ist, hatten wir rund um den Jahreswechsel eine Hotelauslastung von etwa 30%. Jetzt liegen wir zwischen 98 und 99 %. Alle paar Jahre leisten wir uns außerdem eine breit angelegte Studie, die uns bescheinigt, dass die Stadt mit der Veranstaltung um 5 % mehr einnimmt als sie ausgibt, obwohl die Veranstaltung mit zwölf Stunden so kurz ist. Dabei ist der Marketing-Wert noch gar nicht mitgerechnet. Es ist also wirklich ein profitables Geschäft für die Stadt.

  • Silvester.in: Sind beim Silvesterpfad mehr Touristen oder mehr Einheimische?

    Michael Draxler: Es kommt darauf an, wen man als Tourist und wen als Einheimischen bezeichnet. Wien hat etwa 75.000 Hotelbetten. Da traue ich mich zu sagen, dass alle diese Touristen irgendwann einmal bei uns zu Besuch sind, um den Trubel mitzubekommen. Der Rest der Besucher sind Wiener Bevölkerung und sehr viele Tagestouristen. Auch jemand, der nur aus Niederösterreich kommt, gilt als Tourist. Es kommen auch viele aus dem unmittelbaren Ausland, zum Beispiel aus der slowakischen Hauptstadt Bratislava, die nur 65 Kilometer entfernt ist. Also, die Wiener sind schon in der Mehrzahl, aber auf 40% Touristenanteil kommen wir bestimmt.

  • Silvester.in: Das ist doch etwas sehr Schönes: Dass Touristen und Einheimische bei so einer Veranstaltung zusammentreffen.

    Michael Draxler: Absolut, das würde sonst nicht funktionieren. Ein Tourist will nicht zu einer Touristenveranstaltung gehen. Der will dorthin gehen, wo die Wiener hingehen und wenn ich nach Berlin gehe, will ich dahin, wo die Berliner sind. Man braucht eine Verankerung und einen Zuspruch in der eigenen Bevölkerung.

  • Silvester.in: Ist das das Besondere am Silvesterpfad? Warum sollte man ausgerechnet dort feiern?

    Michael Draxler: Es ist ein wahnsinnig schönes Ambiente! Nach 25 Jahren Silvesterpfad befinden wir uns in einer Auswahl zahlreicher toller großer Silvesterveranstaltungen in Europa. Vor 25 Jahren war der Silvesterpfad mit seinem kostenfreien Programm hier wirklich etwas Einmaliges. Die Stimmung ist einfach einzigartig und man kann sich sicher fühlen.

  • Silvester.in: Wie lange sind Sie schon bei der Veranstaltung dabei?

    Michael Draxler: Ich hab den ersten nicht mitgemacht. Sonst alle.

  • Silvester.in: Welches Jahr ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

    Michael Draxler: 1996. Da hat in Wien damals zeitgleich ein Taizé-Treffen stattgefunden. Ich glaube, die Teilnehmer waren zu 100% beim Silvesterpfad. Und nun stellen Sie sich mal die Plätze vor, wenn nochmal 100.000 Menschen dazukommen! Das war eine Herausforderung für die Logistik und die Security, aber es war eine wahnsinnig tolle Stimmung und einfach einzigartig.

  • Silvester.in: Sind Sie auch jedes Jahr auf dem Silvesterpfad?

    Michael Draxler: Zwangsläufig. Die Entscheidung, was ich an Silvester mache, hat sich seit vielen Jahren für mich erübrigt.

  • Silvester.in: Macht es Ihnen noch Spaß oder würden Sie auch gerne mal woanders feiern?

    Michael Draxler: Nein, es macht sehr viel Spaß, sonst könnte man das sicher nicht machen. Aber ja, ich freue mich auch darauf, irgendwann in 20 Jahren vielleicht mal privat zu feiern.

  • Silvester.in: Was ist für die Zukunft des Silvesterpfades geplant?

    Michael Draxler: Keine grundlegenden Änderungen. Das klingt jetzt ein bisschen konservativ, aber: Warum das Rad neu erfinden? Das Grundkonzept funktioniert so gut, es wird so gut angenommen. Trotzdem wollen wir natürlich nicht stehenbleiben, sondern am Puls der Zeit bleiben. Ich glaube aber nicht, dass wir in den nächsten Jahren etwas Massives ändern werden.

  • Silvester.in: Wie viele Vorsätze haben Sie zum Jahreswechsel im Durchschnitt?

    Michael Draxler: Genau einen: Die Veranstaltung im nächsten Jahr noch besser zu machen.

  • Silvester.in: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Michael Draxler führte Britta Zachau. Wenn du Fragen zum Interview hast, erreichst du Britta einfach per E-Mail unter [email protected].